Friedrich von Schiller: Grundlage einer Reform, die Bestand haben soll
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Erstaunlich, wie viele Gedanken, die Friedrich von Schiller zu Papier brachte, auch heute noch einen aktuellen Anstrich haben, obwohl er von 1759 bis 1805 lebte.
Der moderne Mensch lässt sich eher davon überzeugen, große Teile seines Privateigentums und anderer Freiheiten abzugeben, seine Kinder in den Krieg zu schicken und moralfreien Diktaten der Mehrheit zu folgen, als von der Möglichkeit, in einer staaten- und gewaltlosen Gesellschaft zu leben.
Die Gehirnforschung hat viel zum Verständnis der Vorurteile beigetragen. Nur ein winziger Bruchteil des augenblicklichen Geschehens dringt in das Bewusstsein eines Menschen. Optimalerweise ist es so viel, wie er gerade verarbeiten kann oder will. Wer sich nicht auf eine Entscheidung fokussiert, versäumt sein selbstbestimmtes Leben und lebt eher fremdbestimmt.
Das Vorurteil rationalisiert die Entscheidungsfindung. Eine Korrektur kann in einer nächsten Entscheidung vorgenommen werden. Doch es gibt auch unumkehrbare Entscheidungen. Auch hier helfen Vorurteile, um nicht in eine Falle zu tappen. So erweist sich das Vorurteil als eines der wichtigsten Werkzeuge im Leben, für das Herz genauso wie für den Verstand.
Schiller dient die Vernunft als Werkzeug, um das Vorurteil zu bearbeiten. Der folgende Satz enthält zwei schöne Stachel, die heute heftige und von Vorurteilen getragene Reaktionen provozieren können: „Man wird in anderen Weltteilen den Negern die Ketten abnehmen und in Europa den Geistern anlegen.“
Auszüge aus einem Brief, den Friedrich von Schiller am 13. Juli 1793 an Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Augustinenburg schrieb:
„Alle Reform, die Bestand haben soll, muß von der Denkungsart ausgehen, und wo ein Verderbnis der Prinzipien herrscht, da kann nichts gesundes, nichts gutartiges aufkeimen. Nur der Charakter der Bürger erschafft und erhält den Staat und macht politische und bürgerliche Freiheit möglich. Denn wenn die Weisheit selbst in Person vom Olymp herabstiege und die vollkommenste Verfassung einführte, so müsste sie ja doch Menschen die Ausführung übergeben.
Wenn ich also …. über die gegenwärtigen politischen Bedürfnisse und Erwartungen meine Meinung sagen darf, so gestehe ich, dass ich jeden Versuch einer Staatsverbesserung aus Prinzipien – denn jede andere Art ist nur Not- und Flickwerk – so lange für unzeitig und jede darauf gegründete Hoffnung so lange für schwärmerisch halte, bis der Charakter der Menschen von seinem tiefen Fall wieder emporgehoben ist – eine Arbeit für mehr als ein Jahrhundert! – Man wird zwar unterdessen von manchem abgestellten Missbrauch, von mancher glücklich versuchten Reform im einzelnen von manchem Sieg der Vernunft über das Vorurteil hören, aber was hier zehn große Männer aufbauten, werden dort fünfzig Schwachköpfe wieder niederreißen. Man wird in anderen Weltteilen den Negern die Ketten abnehmen und in Europa den Geistern anlegen. So lange der oberste Grundsatz der Staaten von einem empörenden Egoismus zeugt und so lange die Tendenz der Staatsbürger nur auf das physische Wohlsein beschränkt ist, so lange, fürchte ich, wird die politische Regeneration, die man so nahe glaubte, nichts als ein schöner politischer Traum bleiben.
Sollte man also aufhören, danach zu streben? Soll man gerade die wichtigste aller menschlichen Angelegenheiten einer gesetzlosen Willkür, einem blinden Zufall anheim stellen …. Nichts weniger! Politische und bürgerliche Freiheit bleibt immer und ewig das heiligste aller Güter, das würdigste aller Anstrengungen und das Zentrum aller Kultur. Aber man wird diesen herrlichen Bau nur auf dem festen Grund eines veredelten Charakters aufführen, man wird damit anfangen müssen, für die Verfassung Bürger zu erschaffen, ehe man den Bürgern eine Verfassung geben kann.“
Hat sich etwas geändert? Ja. Hat sich etwas verbessert? Sicherlich. Doch den Menschen fällt immer wieder etwas Neues ein. Die Art und Weise, wie aufrichtiges Streben lächerlich gemacht, und wie kompetentes Arbeiten zerrissen wird, macht mutlos.
Zwar haben die Bundesländer Verfassungen, doch für den Bund gibt es nur ein Grundgesetz. Eigentlich müsste ein Grundgesetzschutz den Landesverfassungsschutzämtern übergeordnet sein und ein Bundesgrundgesetzgericht den übrigen Gerichten. Laut Schiller wurden für die Verfassung immer noch keine Bürger erschaffen. Den heute Vorhandenen kann man keine Verfassung geben.
An was alles Friedrich Schiller dachte, erschließt sich aus dem Zusammenhang: „Man wird in anderen Weltteilen den Negern die Ketten abnehmen und in Europa den Geistern anlegen.“ Was geschieht in Europa seit 1918, aber ganz besonders seit 2015?
Wenn geistig Minderbemittelte sich nicht mehr helfen können, werden sie handgreiflich. Ein halbwegs intelligenter Mensch versteht das und lässt sich von solchen Leuten nicht auf der Nase herumtanzen.
Das wirft seit 1918 einige Fragen auf, die Machthaber und Juristen in Europa noch nie beantworten konnten. Sie beharren auf ihren Sichtweisen und lassen stellvertretend Polizisten und Soldaten handgreiflich werden. Dann stellen sich diese Betroffenheitsfanatiker und Bedenkenträger vor die Mikrofone und labern geistigen Dünnpfiff.
Schon Friedrich von Schiller beklagte den Unverstand von Zeitgenossen. Aus gutem Grund verließ er die Juristerei und wurde Schriftsteller, so lange ihm noch Leben und Gesundheit verblieben.
Schiller und die Freiheit des Geistes | Hörprobe
www.youtube.com/watch?v=IHALMZrWqNU
11. Juli 2012 | Friedrich Schiller gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker. Der deutsche „Freiheitsdichter“, prägte gemeinsam mit seinem Kollegen Johann Wolfgang von Goethe ein ganzes Literaturzeitalter. Andreas Venzke folgt den Spuren von Schillers bewegtem Lebensweg. Er erzählt vom Studium und von Auflehnung gegen Bevormundung und Zwang. Er berichtet von den ersten Erfolgen als Dichter, von dramatischer Flucht, schwierigen Zeiten und guten Freunden, von Schillers Freundschaft zu Goethe und den Jahren der Ruhe und der großen Werke. Ein Einblick in das Leben eines der großartigsten Schriftsteller der deutschen Geschichte.
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