Dr. Klaus Miehling rezensiert Karoline M. Preisler: Demokratie aushalten!
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Bekannt wurde die FDP-Politikerin im Frühjahr 2020 durch ihr „Corona-Tagebuch“ und ihren Versuch, auf einer Demonstration mit „Querdenkern“ ins Gespräch zu kommen. Dieser offene, demokratische Ansatz ist zu begrüßen. Wer wollte dieser Aussage widersprechen: „Das Leben in einer liberalen Demokratie ist also vor allem dadurch gekennzeichnet, dass alle tun und lassen können, was sie wollen, solange sie damit die Rechte anderer nicht verletzen“ (S. 15).
Ja, das klingt schön, nicht wahr? Geradezu libertär! Es erweist sich jedoch im weiteren Verlauf der Lektüre als typische Altparteien-Worthülse, deren Inhalt einzulösen die Autorin keineswegs bereit ist.
Während Preisler ihre Mitgliedschaft in der FDP nicht offenbart (auch wenn man sie zwischen den Zeilen erahnen kann, etwa indem sie einen Abschnitt von einem Parteikollegen schreiben lässt), bekennt sie sich auf S. 75 zum christlichen Glauben, jedoch mit einer unlogischen Aussage: „Ich glaube an die Allmacht Gottes, weiß aber zugleich, dass diese Allmacht von Menschen missbraucht werden kann.“ – Die Allmacht eines anderen missbrauchen? Wie soll das gehen? Was freilich sehr gut funktioniert, ist der Missbrauch der repräsentativen Demokratie durch die Repräsentanten des Volkes, und der wird von der Autorin zu vorsichtig kritisiert.
Feindbild „Querdenker“
Auch wenn man Preisler aufgrund der Schwere ihrer Corona-Erkrankung mildernde Umstände attestieren mag, ist ihr Urteil über die „Querdenker“, d.h. Kritiker der Corona-Maßnahmen und der mRNA-„Impfungen“, einfach falsch: „Ein echtes Bekenntnis zum Frieden hingegen versuchen sie erst gar nicht; und den friedlich-feindlichen Wettstreit um das bessere Argument treten sie auch nicht an“ (S. 21).
Ist der Autorin der auf den Demonstrationen häufig skandierte Ruf „Frieden, Freiheit, keine Diktatur!“ entgangen? Und wer entzieht sich denn dem „Wettstreit um das bessere Argument“? Wer vermeidet Diskussionen mit der Gegenseite? Wer schließt „Querdenker“ aus? Das sind die Altparteien und die öffentlich-rechtlichen Medien. Die Artikel und Videos der „Querdenker“ sind voll mit Argumenten, mit Verweisen auf Statistiken und wissenschaftliche Studien. „Querdenker“ haben die Impfstoffe mikroskopisch untersucht und gefährliche metallische Partikel gefunden. „Querdenker“ haben kurz nach der „Impfung“ Verstorbene obduziert und die Ergebnisse publik gemacht. „Querdenker“ haben die Fragwürdigkeit des PCR-Tests aufgedeckt. „Querdenker“ haben von Anfang an die Panikmache bezüglich des Virus kritisiert, und die ausbleibende Übersterblichkeit im Jahr 2020 gab ihnen recht. „Querdenker“ haben von Anfang an vor den „Impfungen“ gewarnt, und nun überschlagen sich Meldungen von Nebenwirkungen und Todesfällen, die alles weit übertreffen, was es bisher im Zusammenhang mit Impfstoffen gab. Erst seit Einführung der „Impfungen“ nämlich gibt es tatsächlich eine Übersterblichket – und neun Monate später gingen die Geburten zurück: Weitere Indizien dafür, dass die „Querdenker“ ganz offensichtlich Recht hatten.
Wie hält es denn Preisler selbst mit dem „Wettstreit um das bessere Argument“? Da fällt ihr nicht viel ein. „Unfassbar viele Menschen sterben“, faselt sie mit Bezug auf „Corona“ (S. 26). Doch wer sind diese unfassbar vielen Menschen, wenn 2020 nicht mehr Menschen starben als in anderen Jahren auch?
Später (S. 48) wird den „Querdenkern“ das „Recht auf Infektion“, d.h. auf natürlich erworbene Immunität, mit der Begründung abgesprochen, dass jemand, der „ansteckend wird […] auch immer auf die Grundrechte anderer ein[wirke]“, eben indem er diese anstecken könne. Wer aber an einer Infektion leidet, wird, wie das schon immer üblich war, auf andere in der Regel Rücksicht nehmen, sofern ihn die Beschwerden nicht ohnehin zwingen, zuhause zu bleiben. Ist Preisler klar, dass ihr hier geoffenbartes Grundrechtsverständnis zu Freiheitsentzug und Zwangsimpfungen bei jeder erdenklichen Infektionskrankheit führen müsste?
Auf S. 24 werden die „Querdenker“ mit „Gegnern der Demokratie“ gleichgesetzt. Auch hier ist das Gegenteil der Fall, indem sich die meisten für eine direkte Demokratie aussprechen, also für mehr Demokratie als in unserem repräsentativen System, wo man lediglich über die Farbe des Käfigs abstimmen kann, in den man eingesperrt wird. Der Ruf nach direkter Demokratie aber, so meint die Autorin, sei „nicht nur planlos, sondern auch wenig realistisch“ (ebd.). So wenig realistisch wie in der Schweiz, wo es direkte Demokratie seit Jahrhunderten gibt?
Auf S. 55 greift sie die „Querdenker“ erneut an, bezeichnet sie gar als „faschistisch“ und „bildungsfern“ – wo doch diese Bewegung, der zahlreiche Rechtsanwälte, Ärzte und Wissenschaftler angehören, faschistische Tendenzen des Regierens kritisiert!
Feindbild AfD
Wenig überraschend, dass auch die AfD von der Autorin als „antidemokratische Partei“ verunglimpft wird (S. 35), obwohl doch gerade diese Partei direkte Demokratie fordert, die dem Volk durch die Altparteien beharrlich verweigert wird. Immerhin gesteht Preisler ein, dass der Boden für „Randparteien […] durch unser demokratisches Versagen bereitet“ wurde (S. 36).
Gleichwohl plädiert sie für eine „rechtsstaatliche Lösung“ für die AfD, womit sie, wie der Kontext zeigt, nichts anderes meint als ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht. So viel zum Thema „Demokratie aushalten“.
Als Kämpferin gegen „Rechts“ thematisiert Preisler nicht die vielen von Zuwanderern begangenen Morde, sondern den von einem Rechtsextremisten begangenen Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (S. 107). So verurteilenswert jeder Mord selbstverständlich ist, muss doch Preislers Behauptung korrigiert werden, dass Lübcke „wegen seiner christlich-demokratischen Haltung in der Flüchtlingskrise“ ermordet worden sei. Die entscheidende Aussage Lübckes, die zu Recht von konservativen und freiheitlichen Medien kritisiert wurde, war durch und durch antidemokratisch: „wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen“ (zit. n. Wikipedia). Im Kontext der Bürgerversammlung, auf der diese Aussage 2015 getätigt wurde, bezog es sich auf die unbegrenzte Aufnahme von (auch nur vermeintlichen) Flüchtlingen, und es ist eine besondere Ironie, dass gerade viele von ihnen die hier geltenden Werte nicht vertreten, wie die exorbitant hohe Quote an Straftätern unter dieser Bevölkerungsgruppe beweist.
Kritik an der Großen Koalition
Preisler kritisiert aber als Mitglied einer damaligen Oppositionspartei nicht nur die „Querdenker“, sondern auch die Corona-Politik der Bundesregierung; insbesondere, weil Entscheidungen im kleinen Kreis von Kanzlerin, Gesundheitsminister und Ministerpräsidenten gefällt wurden: „Das Parlament und somit das Volk wurde so zum Zaungast und verlor seine wichtige demokratisch Position in unserem Gesellschaftssystem“ (S. 50).
Auch die „Lockdowns“ werden als unverhältnismäßig kritisiert: „Der eingreifende Staat war in der Begründungspflicht und versagte“ (S. 51). Und: „Fürsorgeradikalismus hat aus einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein Land der unmöglichen Begrenztheit gemacht“ (S. 52). – Ein seltenes Bonmot, das freilich, wie andere schöne Worte in diesem Buch, nur Sonntagsredencharakter hat.
Auch in Bezug auf die Flüchtlingskrise ist Preislers Standpunkt lauwarm: Es seien „2015 mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen“ worden. „Doch die Politik drückt sich vor einer Anerkennung der wenigen Fehler“ (S. 109). Mehr richtige als falsche Entscheidungen? Bestimmt nicht! Wenige Fehler? Vielleicht. Fehler allerdings, die nicht wiedergutzumachende Schäden verursacht haben; sei es die Weigerung, die Grenzen zu schließen, die bedingungslose Alimentierung der Millionen Zuwanderer oder das Versagen bei der Rückführung.
Medien
Im Kapitel „Demokratie und Medien“ tritt Preisler den Vorwürfen einseitiger Berichterstattung blauäugig entgegen: „Nicht der Staat entscheidet über Berichterstattung und Inhalte, sondern die Endkunden: […] Es wird nur produziert, was auch konsumiert wird“ (S. 125). Hier übersieht die Autorin, dass die öffentlich-rechtlichen Medien durch die staatlich verordnete Zwangsabgabe nicht auf die Gunst der Endkunden angewiesen sind, wohl aber auf die Gunst der Politik. Über Berichterstattung und Inhalte entscheidet der Staat über die Aufsichtsgremien zumindest indirekt mit; die eigentlichen Entscheider sind zwar die Intendanten und Redakteure, doch deren politische Haltung ist weit links vom durchschnittlichen Spektrum in der Bevölkerung angesiedelt, wie Umfragen über deren politische Präferenzen ebenso belegen wie die unausgewogenen Inhalte.
Dann aber scheint sich die Autorin daran zu erinnern, dass ihre Partei das „F“ im Namen hat, und sie spricht sich gegen die „Cancel culture“ (S. 128) und für eine „Konfrontation mit Parallelgesellschaften“ (S. 130) aus. Da wäre freilich erst einmal die „Cancel culture“ innerhalb der öffentlich-rechtlichen Medien zu beseitigen.
Klima
Das Thema „Klima“ darf natürlich nicht fehlen. An der Existenz einer zu bekämpfenden menschengemachten Klimaerwärmung lässt Preisler keinen Zweifel. Sie begrüßt „Fridays for Future“ als „Ausgeburt der Demokratie“ (S. 92 – warum macht sie das nicht auch bei den „Querdenkern“?) ebenso wie das groteske kompetenzüberschreitende Urteil der Bundesverfassungsgerichtes vom März 2021. Von einem „Klimapopulismus“ (S. 96) distanziert sie sich freilich; andernfalls wäre sie ja auch bei den Grünen besser aufgehoben als bei der FDP.
Gender
Beim Thema „Gender“ wendet sich Preisler zwar gegen übertriebene Sprachvorschriften, übernimmt aber die unsinnige Behauptung, noch dazu sich auf die „moderne Wissenschaft“ berufend, „dass bei der Spezies Mensch kein abschließendes, binäres Geschlechtersystem vorliegt“ (S. 132). Hierzu gibt es aber keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Geschlechtschromosomen sind xy für „männlich“ und xx für „weiblich“. Seltene Abweichungen sind pathologisch und lassen sich in der Regel gleichwohl einem der beiden Geschlechter zuordnen. Auch wer meint, mit dem „falschen“ Geschlecht geboren zu sein und sich vielleicht sogar „umoperieren“ lässt, kann seine Gene nicht verändern und bleibt doch, was er von Geburt an war. Das von der Natur vorgesehene Geschlechtersystem der meisten Lebewesen, insbesondere der Säugetiere und damit auch des Menschen IST binär: Das eine Geschlecht produziert die Samen-, das andere die Eizellen. Mit der „modernen Wissenschaft“ meint Preisler wohl nicht die Biologie, sondern die sogenannte Genderwissenschaft, die nicht wissenschaftlicher ist als der in Preislers Geburtsland DDR gelehrte Marxismus-Leninismus.
Kollektivismus vs. Individualismus
Im abschließenden „Plädoyer für eine gesunde Streitkultur“ gibt es noch einmal einen Schlag gegen „Populisten“, die Preisler hier zwar nicht näher charakterisiert, aber ja offenbar im Bereich von „Querdenkern“ und AfD verortet: „Die individualistische Grundeinstellung der deutschen Demokratie ist Populisten zuwider“, behauptet sie und unterstellt ihnen „kollektivistische Fantasien“ (S. 144). Doch im Gegenteil wünschen die meisten „Populisten“ mehr Mitspracherechte für den Einzelnen, während in der von Preisler befürworteten repräsentativen Demokratie eine winzige Minderheit die Entscheidungen für das ganze Kollektiv trifft. Noch dazu ist diese Minderheit in der Regel nicht einmal von der Mehrheit gewählt; zum einen, weil viele Bürger auf ihr Wahlrecht verzichten, zum anderen, weil die Stimmen für jene Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, nicht zählen. Die „Populisten“ möchten mehr Eigenverantwortung, während die Politik das Volk wie unmündige Kinder behandelt – hatte doch Preisler selbst vom Fürsorgeradikalismus“ gesprochen (s.o.)! Aber das scheint nun vergessen.
Auch wenn Preisler in diesem Buch offenkundig nicht für ihre Partei sprechen will, scheinen ihre Positionen den gegenwärtigen Zustand der FDP als „rot-grün light“, der die Teilnahme an der aktuellen Regierungskoalition ermöglichte, abzubilden. Vor dem Hintergrund, dass die Autorin direkte Demokratie ablehnt und eine Partei wie die AfD verboten sehen möchte, ist der Titel ihres Buches ein Etikettenschwindel. Mehr als einen Hauch von Demokratie scheint sie nicht aushalten zu können.
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Herzlichen Dank!
Demokratie aushalten!
September 2021 | Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
„Bewegen wir uns alle nur noch in unseren Blasen, nicht bereit und willens, uns auf Positionen der »anderen« einzulassen? Setzt sich durch, wer nur laut genug polarisiert und diffamiert, wer Fakten ignoriert, verleugnet, verdreht, gar zur Gewalt aufruft?“ Diese Fragen bewegen Karoline M. Preisler in ihrem Buch „Demokratie aushalten! Über das Streiten in der Empörungsgesellschaft“ (S. Hirzel Verlag, September 2021). Die Volljurstin errang bundesweite Anerkennung, als sie sich ab 2020 Coronaleugnern und selbsternannten „Querdenkern“ in den Weg stellte und diese zur Diskussion aufforderte.
Wie steht es um unsere Demokratie in Zeiten der Erosion der Mitte und des sozialen Zusammenhalts? Wie können wir ein reflektiertes „Wir-Gefühl“ schaffen? Darauf gibt die leidenschaftliche Demokratin in ihrem Buch Antworten. Im Anschluss an die Lesung wollen wir mit der Autorin sowie der Leiterin des Stasi-Unterlagen-Archivs, Alexandra Titze, und der Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Brandenburg, Dr. Martina Weyrauch, diskutieren: Wie streiten wir Deutschen? Ist ein Wort wie „Dunkeldeutschland“ es wert, sich zu empören? Welche Trennungslinien gibt es noch heute zwischen Ost und West und innerhalb der ostdeutschen Gesellschaft? Das Gespräch wird moderiert von Robert Ide, Autor beim Tagesspiegel.
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