Rezension von Dr. Klaus Miehling – Elisabeth Wehling: Politisches Framing

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Elisabeth Wehling: Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht

Der Begriff „Framing“ wurde populär, als im Jahr 2019 ein bereits 2017 verfasstes „Framing Manual“ der ARD an die Öffentlichkeit gelangte. Darin wurden den Mitarbeitern Hinweise gegeben, wie sie die Fernsehzuschauer durch suggestive Darstellung der Inhalte und geschickte Wortwahl im Sinne des eigenen Selbstverständnisses manipulieren können und sollen. Als Autorin wird bei Wikipedia eben jene Elisabeth Wehling genannt, die kurz zuvor das hier zu rezensierende Buch vorgelegt hatte.

Als ich es las, wusste ich davon nichts und war angesichts der normalerweise von konservativen und libertären Kreisen geübten Kritik am „Framing“ überrascht, dass die Bundeszentrale für politische Bildung ein solches Buch herausgibt. Doch mit Wehling hat sie eine Autorin gefunden, die es ganz im Sinne der öko- und globalsozialistischen Regierungsline verfasst hat. Im Wikipedia-Artikel über sie findet sich auch ein Zitat, in dem sie ihre eigene politische Agenda offenbart: „Wir arbeiten der progressiven Politikszene und den Demokraten zu.“ In einem anderen diffamiert sie AfD-Mitglieder als „Neo-Faschisten“. Wie „demokratisch“ Wehlings eigener Standpunkt ist, wird in dieser Rezension deutlich werden.

So gilt eine ihrer Sorgen der medialen und politischen Darstellung von Steuern und derjenigen, die sie zu entrichten haben. Von „Steuerlast“ sei die Rede, von „Steuerflucht“ und „Steueroasen“, wodurch Steuern in einen negativen Kontext gestellt werden. Doch „nicht zuletzt beschließen wir die Steuergesetze ja demokratisch – wir entrichten unseren Steuerbeitrag, weil wir so entschieden haben!“ (S. 100). Dieser Satz ist selbst ein Beispiel für Framing, denn nicht „wir“ haben so entschieden, sondern eine Regierung, die von einer Minderheit der Wahlberechtigten (Nichtwähler und Stimmen für an der 5-Prozent-Hürde gescheiterten Parteien fallen heraus) gewählt worden ist. Insofern ist es auch grotesk, vom „eigentlich doch freiwillig Steuern zum eigenen und allgemeinen Wohlergehen betragende[n]“ (S. 102) Bürger zu sprechen. Wäre es freiwillig, bräuchte man keine Steuergesetze, und Steuerverweigerer (auch ein „geframtes“ Wort, da „verweigern“ normalerweise eine negative Konnotation besitzt) würden nicht bestraft. Auch dürfte kaum ein Steuerzahler – oder „Steuerbeitragender“ wie es Wehling lieber „geframt“ hätte – der Ansicht sein, alle Steuerausgaben dienten „zum eigenen und allgemeinen Wohlergehen“. Aber, meint die Autorin, der Staat verwende die Steuern „aufgrund demokratisch beschlossener Gesetze mit den Bürgern und im Auftrag der Bürger“ (S. 108). Haben Sie den Eindruck, werter Leser, dass jemand die Steuergesetze „mit“ Ihnen und in Ihrem „Auftrag“ beschlossen hat?

Dass Steuern tatsächlich medial negativ „geframt“ sind, dürfte historische Gründe haben: Die Begriffe haben sich zu einer Zeit etabliert, als der Wohlfahrtsstaat mit hohen Schulden, hohen Sozialleistungen und hohen Steuern noch nicht als Ideal galt – und nicht zuletzt dürfte auch der heutige Steuerzahler Steuern als Last empfinden, mit Ausnahme von Frau Wehling vermutlich.

Sie nimmt auch am Begriff „Umverteilung“ Anstoß. „Er blendet aus, dass niemandem etwas weggenommen wird, was ihm eigentlich zustünde, dass einmal erworbene Rechte nicht unantastbar sind“ (S. 109). Das geht über bloßes Framing schon hinaus. Logisch zu Ende gedacht bedeutet es: Wenn dir der Staat alles wegnehmen sollte, macht er es nur, weil dir nichts zusteht. Dir steht nur zu, was der Staat dir lässt.

So oft die Autorin auch von Demokratie spricht, scheint sie doch Schwierigkeiten damit zu haben; zumindest mit der eigentlichen, der direkten Demokratie. So begeht sie ein Framing durch Weglassen, indem sie GG Art. 20, 2 wie folgt zitiert (S. 109): „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke […] durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Gewiss, sie macht die Auslassung kenntlich, erweckt jedoch dadurch den falschen Eindruck, dass das GG nur eine indirekte Beteiligung des Volkes, eben durch die Staatsorgane, vorsehe. Die zensierte Stelle lautet jedoch: „in Wahlen und Abstimmungen und“. Also: Abstimmungen direkt durch das Volk – Volksabstimmungen! Das ist schon ein dreistes Vorgehen, und es scheint Wehling nichts auszumachen, dass es leicht zu entlarven ist.

In Begriffen wie „Abgehängte“ und „Verlierer“ für „sozial Schwache“ erkennt die Autorin das Framing des „sozialen Miteinander als Wettlauf“ (S. 113) und entgegnet: „Das stimmt so natürlich nicht, denn Erfolg und Misserfolg sind immer zu großen Teilen systemisch bedingt“ (ebd.). Das ist offensichtlich absurd – sogar Schulverweigerer, Straftäter und Drogensüchtige sollen „immer zu großen Teilen“ Opfer des Systems sein? Das ist linksradikale Denkungsart, wie man sie bei der umbenannten SED oder der Antifa findet.

Ein weiteres Thema, das Wehling am Herzen liegt, ist der Schwangerschaftsabbruch. Hier stört sie sich schon am Begriff „Schwangerschaft“: „Es würde […] damit der Frame aktiviert und propagiert werden, dass von der Konzeption an ein Kind existiert“ (S. 144f). Nun, das ist allerdings der übliche Sprachgebrauch. Man spricht beispielsweise von einem „Schwangerschaftstest“, der bereits wenige Tage nach der Empfängnis eine solche diagnostizieren kann. Die Autorin spricht lieber von „Zellentwicklung“ (S. 145). Auch sollte man ihrer Ansicht nach nicht von einer „unerwünschten“ Schwangerschaft sprechen, weil dies einen „Ungerechtigkeits-Frame“ erwecke (S. 147).

Wenn also Linke und Grüne demnächst vom „Beenden einer Zellentwicklung“ sprechen, wissen wir, woher sie das haben.

Natürlich gehört auch Migration zu den behandelten Themen. Hier kritisiert Wehling nicht etwa das Framing in Begriffen wie „Bereicherung“, „Vielfalt“ oder „Schutzsuchende“, sondern dasjenige in Begriffen wie „Welle“ oder „Flut“. In der Grauzone zur Lüge befindet sie sich mit der Behauptung, dass „Zugewanderte unsere materiellen und sozialen Infrastrukturen nicht nur […] in Anspruch nehmen, sondern auch erheblich zu ihnen beitragen“ (S. 173), denn „erheblich“ erweckt den Eindruck, der Beitrag sei (gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil natürlich) mindestens so groß wie derjenige der Deutschen. Die Statistiken belegen das Gegenteil.

In ganz normalen Redeweisen wie „in ein(em) Land“, „aus einem Land“ sieht sie eine „Metapher von der Nation als geschlossenes Gefäß“ (S. 172). Das ist weit hergeholt, denn wie soll man es sonst ausdrücken? Es ist unschwer zu erraten, dass Wehling wohl eine Abschaffung der Nationen und Grenzen vorschwebt.

Auch im Zusammenhang mit der Energiewende haben sich Begriffe etabliert, die der Autorin nicht gefallen. „Erneuerbare“ Energien? Schlecht, denn das lässt daran denken, dass sich die Energien abnutzen, was sie ja nicht tun. „Regenerative“ Energien? Hier denkt man an etwas Krankes. „Alternative“ Energien? Auch schlecht, denn das klingt gleichwertig, wo doch Windkraft und Solarenegie viel besser sind als Kernkraft und Kohle! Und das führt uns direkt zum Klimawandel. Auch das ist der Autorin ein zu neutraler Begriff. „Erwärmung“ sei noch schlechter, weil das zu positiv klingt. Also besser „Erhitzung“, so absurd das auch ist, angesichts einer Durchschnittstemperatur von etwa 15 °C auf der Erde, die sich auf 17 oder 18 erhöhen könnte. Recht hat Wehling natürlich mit dem Hinweis, dass der Begriff „Klimaschutz“ unsinnig ist, da das Klima nicht geschützt werden muss. Das Wort missfällt ihr aber auch deshalb, weil „der Mensch als eigentlicher Schadensverursacher ausgeblendet wird. Er tritt, wenn überhaupt, als Retter auf!“ (S. 184)

Unpassend erscheinen ihr sogar die Wörter „Umweltverschmutzung“ und „Umweltverseuchung“. Das eine, weil es angeblich zu harmlos klingt, das andere, weil es an Krankheit erinnert und ausblende, „dass wir uns durch die Zerstörung großer Teile der Umwelt selbst unsere eigene Lebensgrundlage entziehen“ (S. 187). Wenn wir es ähnlich genau nehmen wollen, müssen wir freilich feststellen, dass das Framing der „Zerstörung“ und der „großen Teile“ mindestens so sehr dramatisiert wie das andere verharmlost. Eine Seite zuvor schreibt Wehling gar von einer „zügig voranschreitende[n] Eliminierung unserer eigenen natürlichen Lebensgrundlagen.“ Bedauerlich, dass die 1981 geborene Autorin keine Zeitreise in die 1960er und 70er Jahre mit ihren braunen und stinkenden Flüssen und den atemraubenden Abgasen machen kann!

Trotz aller Einseitigkeit ist das Buch lehrreich und sensibilisiert für das, was Politiker sagen und Medien schreiben. Wehling plädiert auch keineswegs für eine neutrale Sprache. Das zeigen ihre eigenen Beispiele, und das ist letztlich auch nicht möglich. Vielmehr ruft sie dazu auf, Frames bewusst im Sinne der eigenen Ideologie anzuwenden, um richtig verstanden zu werden. Insofern müssen wir uns in Zukunft eher auf mehr als auf weniger Framing gefasst machen. Dazu gehört bereits jetzt, dass die Verwendung bestimmter Begriffe geächtet wird, weil die „Frames“, die sie (angeblich) erwecken, von den Mächtigen nicht gewünscht sind. Man könnte Wehling indes wohlwollend so interpretieren, dass die daraus resultierende (Selbst-)Zensur zu verurteilen ist, da sie verhindert, den eigenen Standpunkt richtig zu kommunizieren.

Elisabeth Wehling: Politisches Framing – Wie Deutschland sich politische Wahrheiten einredet
2017 | Heinrich-Böll-Stiftung

Mit:
– Dr. Elisabeth Wehling, University of California, Berkeley
– Christiane Hoffmann, stellv. Leiterin des Hauptstadtbüros, Der SPIEGEL
– Michael Kellner, Politischer Geschäftsführer, Bündnis90/Die Grünen
– Matthias Machnig, Staatssekretär, Bundeswirtschaftsministerium
– Dr. Leonard Novy, Institut für Medien- und Kommunikationspolitik gGmbH (Moderation)

Politische Entscheidungen, auch die vermeintlich alternativlosen, sind selten wertfrei, und politische Sprache nie neutral. Flüchtlingsstrom, Mindestlohn, Klimawandel, Steueroase, Islamophobie – Sprachbilder wie diese entlarvt die moderne Neuro- und Kognitionsforschung Tag für Tag als heimliche Herrscher über unser politisches Denken und Handeln. Worte aktivieren sogenannte Frames (Deutungsrahmen) im Gehirn, die Informationen ideologisch einordnen und bestimmen, welche Fakten wir als wichtig begreifen, welche sich uns besonders gut einprägen und welche wir gar nicht erst wahrnehmen.

Doch wirklich demokratische Diskurse und politische Wahlfreiheit gibt es nur dort, wo sich ideologische Vielfalt auch sprachlich niederschlägt. In ihrem neuem Buch „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ beschreibt die Linguistin und Politikberaterin Elisabeth Wehling, wie sich Sprache auf unser Denken und Handeln auswirkt. Und sie zeigt Perspektiven auf – für eine bewusstere Sprache und eine revitalisierte Demokratie.

Aus Anlass der Buchveröffentlichung diskutiert die Autorin mit Politiker/innen und Experten über unser kollektives politisches Sprechen und Denken, den Framing-Ansatz und seine Implikationen für politische Kommunikation und Demokratie.

In Kooperation mit dem Institut für Medien- und Kommunikationspolitik gGmbH (IfM).
Medienpartner: Carta. Der Autorenblog für die digitale Öffentlichkeit, Politik und Ökonomie

Informationen zum Buch:
Politisches Framing
Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht
226 S., Broschur, 190 x 120 mm, dt., 21,00 EUR
ISBN 978-3-86962-208-8

Elisabeth Wehling im Interview mit der Heinrich-Böll-Stiftung (2014): „Die Politik muss sich ihre Werte bewusst machen.“

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