Zwänge, Ängste, Depressionen: Selbsthilfe kann eine sinnvolle Ergänzung in Krisen sein

Bereits davor waren die Therapieplätze vielerorts äußerst rar, Wartezeiten von mehr als sechs Monaten sind auch heute keine Seltenheit. Die Politik hat bisher zu wenige Antworten gefunden, welche durchschlagenden Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergriffen werden könnten. Deshalb wenden sich immer mehr Menschen mit seelischer Beeinträchtigung verzweifelt an niederschwellige Angebote, wie aktuell der Leiter der bundesweit tätigen Selbsthilfeinitiative zu Zwängen, Phobien und Depressionen, Dennis Riehle (Konstanz) in einer entsprechenden Aussendung erklärt: „Wir hatten bereits vor Covid-19 bis zu 15 Anfragen pro Woche. Mittlerweile sind es jedoch deutlich über 100 Anliegen pro Monat. Darunter sind viele Betroffene, die bislang in ihrem Leben keine Berührungspunkte mit seelischen Beeinträchtigungen hatten und deshalb nach Orientierung und Unterstützung suchen. Zweifelsohne können wir keine medizinische oder therapeutische Behandlung ersetzen und sind lediglich ein ergänzendes Beratungsangebot, das allerdings immer häufiger die Position als Lückenfüller einnimmt. Denn in der Zeit des Wartens auf einen Termin beim Psychiater oder Psychotherapeuten bauen wir Brücken, so gut es möglich ist“. Mehr lesen

Angst- und Zwangserkrankungen: Patienten in der freien Wahl des Therapieverfahrens stärken!

Der 37-jährige Gruppenleiter vom Bodensee ist seit 25 ebenfalls erkrankt und kritisiert die immer offensichtlicher werdende Tendenz, wonach Patienten mit Zwangs- und Angststörungen durch Experten und Fachgesellschaften Verhaltenstherapie als die alleinig wirksame Therapieform bei diesen psychischen Krankheiten angepriesen wird. „Ich halte es für überaus bedenklich, wenn vor allem theoretisch und praktisch-angewandte Wissenschaften auf der ausschließlichen Basis von konzeptionellen Kosten-Nutzen-Bewertungen eine Empfehlung für jene Lehrmeinung aussprechen, auf der die kürzeste und oberflächlichste Therapie aufbaut, welche die Gesetzlichen Krankenkassen als anerkannte Leitlinienverfahren kennen und bezahlen“. Riehle verweist darauf, dass erfahrungswissenschaftliche Einschätzungen bei der Bewertung über Erfolg und Effizienz der Therapien eine deutlich untergeordnete Rolle spielen: „Ich habe in bislang über 17 Jahren Selbsthilfearbeit genügend Betroffene kennengelernt, die explizit unterstrichen haben, mit der (kognitiven) Verhaltenstherapie nicht vorangekommen zu sein. Es ist daher Augenwischerei, wenn man behaupten würde, diese Therapievariante wäre nachgewiesenermaßen die einzig hilfreiche. Dieser Absolutheitsanspruch der verhaltenstherapeutischen Interessenvertretung muss kritisch hinterfragt und mit Beispielen aus der Praxis konfrontiert werden“. Mehr lesen

Menschen mit Sozialer Phobie erfahren im Berufsleben häufige Ausgrenzung

Darauf macht der Selbsthilfeverband intakt e.V. aufmerksam, der gleichzeitig aber auch auf den Umstand verweist, dass Betroffene viele Persönlichkeitseigenschaften mitbringen, die im Job von großem Vorteil sein können: „Einerseits sind die Betroffenen von ihrer Angst gekennzeichnet, was sich nicht zuletzt auch die Sorge vor einer ausgrenzenden Behandlung durch den Vorgesetzten oder die Kollegen deutlich macht. Auch beobachtet man bei Sozialphobikern die Befürchtung, schlechter behandelt zu werden und von der aktuellen Position nicht weiter aufsteigen zu können. Insgesamt präsentieren sich die Erkrankten bereits im Bewerbungsgespräch deutlich tiefstapelnd und wirken damit sehr schüchtern und wenig selbstbewusst“, erläutert der Vorsitzende des Vereins, Julian Kurzidim. Und der Psychologische Berater des intakt e.V., Dennis Riehle, ergänzt dazu: „Sicherlich ist manchem Chef ein wenig durchsetzungsbereiter Bewerber lieber, denn dann muss er schließlich auch nicht fürchten, alsbald mit der Forderung nach mehr Gehalt, weitergehenden Kompetenzen oder neuen Führungsaufgaben konfrontiert zu werden. Gleichzeitig wünschen sich viele Arbeitgeber wiederum selbstsichere, couragierte und von sich überzeugte Angestellte im Betrieb, deren Dickschädel manchmal mehr gefragt ist als ein angepasster und bescheidener Beschäftigter, der sich scheinbar nichts zutraut“. Mehr lesen